Mundspülungen gehören für viele Menschen zur täglichen Mundhygiene wie Zahnbürste und Zahnpasta. Die farbigen Flüssigkeiten versprechen frischen Atem, Kariesschutz und Zahnfleischgesundheit. Doch was steckt wirklich hinter den Versprechungen der Hersteller? Die Produktpalette reicht von rezeptfreien Lösungen in Drogeriemärkten bis hin zu verschreibungspflichtigen Präparaten aus der Apotheke. Angesichts dieser Vielfalt stellt sich die Frage, ob und wann Mundspülungen tatsächlich einen gesundheitlichen Mehrwert bieten oder ob sie möglicherweise sogar Risiken bergen können.
Wirkstoffe im Fokus
Die Wirksamkeit einer Mundspülung hängt maßgeblich von ihren Inhaltsstoffen ab. Zu den am häufigsten verwendeten Wirkstoffen zählen Chlorhexidin, Fluorid, ätherische Öle, Cetylpyridiniumchlorid und Povidon-Iod. Jeder dieser Wirkstoffe verfügt über spezifische Eigenschaften und Anwendungsgebiete.
Chlorhexidin gilt als Goldstandard unter den antimikrobiellen Wirkstoffen in Mundspülungen. Es bindet an die Mundschleimhaut und wird über mehrere Stunden langsam freigesetzt, was einen langanhaltenden antibakteriellen Effekt gewährleistet. Eine Cochrane-Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2017 bestätigt mit "hochwertiger Evidenz" eine signifikante Reduktion von Zahnbelag und Zahnfleischentzündungen bei täglicher Anwendung über 4-6 Wochen im Vergleich zu Placebo oder keiner Mundspülung1. Allerdings kann die langfristige Anwendung zu Zahnverfärbungen, Geschmacksveränderungen und Schleimhautirritationen führen.
Fluoridhaltige Mundspülungen werden primär zur Kariesprophylaxe eingesetzt. Natriumfluorid ist dabei der am häufigsten verwendete Fluoridwirkstoff. Die Konzentration in rezeptfreien Produkten liegt typischerweise zwischen 200 und 1000 ppm, während verschreibungspflichtige Präparate mehrere tausend ppm enthalten können2. Fluorid stärkt den Zahnschmelz, fördert die Remineralisierung und hemmt das Wachstum kariogener Bakterien. Besonders bei erhöhtem Kariesrisiko oder kieferorthopädischen Apparaturen kann eine fluoridhaltige Mundspülung als Ergänzung zum Zähneputzen sinnvoll sein.
Mundspülungen mit ätherischen Ölen enthalten meist eine Kombination aus Thymol, Eukalyptol, Menthol und Methylsalicylat. Diese Wirkstoffe durchdringen den Biofilm und zerstören die bakterielle Zellmembran. Aktuelle Metaanalysen belegen ihre Wirksamkeit bei der Reduktion von Plaque und Gingivitis, wenn auch etwas weniger ausgeprägt als bei Chlorhexidin3. Der Vorteil liegt in den geringeren Nebenwirkungen bei Langzeitanwendung.
Cetylpyridiniumchlorid (CPC) ist ein kationisches Tensid mit antimikrobieller Wirkung. Eine systematische Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2025 verglich die Wirksamkeit von CPC mit ätherischen Ölen und fand vergleichbare Effekte bei der Reduktion von Plaque und Gingivitis4. CPC wirkt, indem es die bakterielle Zellmembran destabilisiert und die Anheftung von Bakterien an Zahnoberflächen verhindert.
Povidon-Iod hat durch die COVID-19-Pandemie besondere Aufmerksamkeit erlangt. Eine aktuelle Metaanalyse aus dem Jahr 2025 zeigte, dass Mundspülungen mit Povidon-Iod die SARS-CoV-2-Viruslast im Speichel signifikant reduzieren können (SMD = 4,15; 95% KI: 2,11 bis 6,18), während Cetylpyridiniumchlorid und Chlorhexidin keine signifikante Wirkung zeigten5. Die antivirale Wirkung beruht auf der Freisetzung von elementarem Iod, das Proteine und Nukleinsäuren von Mikroorganismen oxidiert.
Evidenzbasierte Wirksamkeit
Die wissenschaftliche Bewertung der Wirksamkeit von Mundspülungen variiert je nach Anwendungsgebiet und betrachtetem Wirkstoff erheblich. Bei der Beurteilung müssen sowohl die Qualität der Studien als auch die klinische Relevanz der Ergebnisse berücksichtigt werden.
Im Bereich der Plaque- und Gingivitisreduktion liefern aktuelle Metaanalysen überzeugende Belege für die Wirksamkeit verschiedener Mundspülungen. Chlorhexidin zeigt dabei die stärksten Effekte mit einer durchschnittlichen Reduktion des Gingiva-Index um 0,21 Punkte (auf einer 0-3 Skala) nach 4-6 Wochen Anwendung im Vergleich zu Placebo1. Dieser Effekt bleibt auch nach 6 Monaten bestehen. Ätherische Öle und Cetylpyridiniumchlorid zeigen ebenfalls signifikante, wenn auch etwas geringere Wirksamkeit. Eine direkte Vergleichsstudie aus dem Jahr 2021 fand keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen CPC mit Zinklaktat und ätherischen Ölen bei der Plaquereduktion6.
Bei der Kariesprophylaxe ist die Evidenzlage für fluoridhaltige Mundspülungen gut etabliert. Eine Cochrane-Übersichtsarbeit bestätigte die Wirksamkeit von Fluoridmundspülungen zur Kariesprävention bei Kindern und Jugendlichen mit einer durchschnittlichen Kariesreduktion von 27% im Vergleich zu Placebo7. Bei Erwachsenen ist die Evidenz weniger umfangreich, deutet aber auf ähnliche Vorteile hin, insbesondere bei erhöhtem Kariesrisiko.
Die Wirksamkeit von Mundspülungen gegen Halitosis (Mundgeruch) wurde in mehreren Studien untersucht. Chlorhexidin, Zink-Lactat und Cetylpyridiniumchlorid zeigen dabei die besten Ergebnisse, wobei die Evidenzqualität als moderat eingestuft wird8. Die Wirkdauer variiert zwischen den Wirkstoffen erheblich, von wenigen Stunden bis zu mehreren Tagen.
Im Kontext der COVID-19-Pandemie haben antivirale Mundspülungen besondere Aufmerksamkeit erlangt. Die aktuelle Evidenz deutet darauf hin, dass Povidon-Iod-haltige Mundspülungen die SARS-CoV-2-Viruslast im Speichel signifikant reduzieren können, während für Chlorhexidin und Cetylpyridiniumchlorid keine konsistenten Effekte nachgewiesen wurden5. Die klinische Relevanz dieser Reduktion für die Übertragung des Virus oder den Krankheitsverlauf ist jedoch noch nicht abschließend geklärt.
Kritisch anzumerken ist, dass viele Studien methodische Limitationen aufweisen. Häufig werden kurze Beobachtungszeiträume, kleine Stichprobengrößen und unterschiedliche Messmethoden verwendet, was die Vergleichbarkeit der Ergebnisse erschwert. Zudem werden in vielen Studien ideale Anwendungsbedingungen geschaffen, die in der Praxis oft nicht erreicht werden. Die tatsächliche Wirksamkeit im Alltag könnte daher geringer ausfallen als in klinischen Studien berichtet.
Nebenwirkungen und Risiken
Trotz ihrer potenziellen Vorteile können Mundspülungen auch unerwünschte Nebenwirkungen und Risiken mit sich bringen, die bei der Entscheidung für oder gegen ihre Anwendung berücksichtigt werden sollten.
Chlorhexidin, der Goldstandard unter den antimikrobiellen Mundspülungen, verursacht bei längerer Anwendung häufig bräunliche Verfärbungen an Zähnen, Zunge und Zahnrestaurationen. Diese Verfärbungen sind zwar reversibel, können aber ästhetisch störend sein und erfordern eine professionelle Zahnreinigung zur vollständigen Entfernung. Weitere häufige Nebenwirkungen sind Geschmacksveränderungen, brennende Empfindungen und Schleimhautirritationen9. In seltenen Fällen können allergische Reaktionen auftreten.
Alkoholhaltige Mundspülungen stehen seit einigen Jahren im Fokus der Forschung hinsichtlich möglicher Langzeitrisiken. Eine aktuelle systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse aus dem Jahr 2023 untersuchte den Zusammenhang zwischen Mundspülungsgebrauch und Mundkrebs10. Während bei allgemeiner Anwendung kein erhöhtes Risiko festgestellt wurde (OR 1,00; 95% KI: 0,79-1,26), zeigte sich bei häufiger Anwendung (≥3x täglich) ein signifikant erhöhtes Risiko (OR 2,58; 95% KI: 1,38-4,82). Auch bei Langzeitanwendung über 40 Jahre hinweg wurde ein leicht erhöhtes Risiko beobachtet (OR 1,30; 95% KI: 1,10-1,54).
Als mögliche Mechanismen für die karzinogene Wirkung alkoholhaltiger Mundspülungen werden die intraoralen Oxidation von Ethanol zu seinem toxischen Metaboliten Acetaldehyd sowie lokale zytotoxische Effekte auf die Keratinozyten der Mundschleimhaut diskutiert10. Diese Erkenntnisse sollten jedoch mit Vorsicht interpretiert werden, da nur wenige Studien die Häufigkeit und Dauer der Mundspülungsanwendung detailliert untersucht haben.
Ein weiterer Diskussionspunkt ist der Einfluss von Mundspülungen auf das orale Mikrobiom. Neuere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass antimikrobielle Mundspülungen nicht nur pathogene, sondern auch kommensale Bakterien reduzieren können, was potenziell zu einer Dysbiose führen könnte11. Die langfristigen Auswirkungen dieser Veränderungen auf die Mundgesundheit sind noch nicht vollständig verstanden und Gegenstand aktueller Forschung.
Fluoridhaltige Mundspülungen gelten bei bestimmungsgemäßer Anwendung als sicher. Bei übermäßigem Verschlucken, insbesondere bei Kindern, können jedoch Symptome einer Fluoridtoxizität auftreten. Daher sollten hochkonzentrierte Fluoridmundspülungen bei Kindern unter 6 Jahren vermieden werden12.
Zukunftsperspektiven
Die Forschung im Bereich der Mundspülungen entwickelt sich kontinuierlich weiter, mit vielversprechenden Ansätzen für die Zukunft. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Entwicklung von Produkten mit gezielter Wirkung und minimalen Nebenwirkungen.
Probiotische Mundspülungen stellen einen innovativen Ansatz dar, der darauf abzielt, das orale Mikrobiom positiv zu beeinflussen, anstatt Bakterien unspezifisch zu eliminieren. Diese Produkte enthalten lebende Mikroorganismen, die das Wachstum pathogener Bakterien hemmen und gleichzeitig das ökologische Gleichgewicht in der Mundhöhle fördern sollen13. Erste klinische Studien zeigen vielversprechende Ergebnisse bei der Reduktion von Plaque und Gingivitis, jedoch ist die Evidenzlage noch nicht ausreichend für eine breite Empfehlung.
Nanotechnologische Ansätze ermöglichen die Entwicklung von Mundspülungen mit verbesserten Freisetzungseigenschaften. Durch die Einkapselung von Wirkstoffen in Nanopartikel kann eine kontrollierte, langanhaltende Freisetzung erreicht werden, was die Wirkdauer verlängert und die Häufigkeit der Anwendung reduzieren könnte14. Zudem könnten Nanopartikel die Penetration von Wirkstoffen in den Biofilm verbessern und so die antimikrobielle Wirksamkeit steigern.
Personalisierte Mundspülungen, die auf das individuelle orale Mikrobiom und spezifische Risikofaktoren zugeschnitten sind, könnten in Zukunft eine präzisere und effektivere Prävention oraler Erkrankungen ermöglichen. Durch moderne Analysemethoden wie Next-Generation-Sequencing kann die bakterielle Zusammensetzung des Speichels bestimmt und darauf basierend eine maßgeschneiderte Mundspülung entwickelt werden15.
Die Integration von Mundspülungen in umfassende Präventionskonzepte wird zunehmend wichtiger. Anstatt sie als isolierte Maßnahme zu betrachten, sollten Mundspülungen als Teil einer ganzheitlichen Strategie zur Förderung der Mundgesundheit verstanden werden, die mechanische Plaquekontrolle, Ernährung und regelmäßige zahnärztliche Kontrollen umfasst.
Nicht zuletzt wird die Entwicklung von Mundspülungen mit natürlichen Inhaltsstoffen vorangetrieben, um den wachsenden Verbraucherwunsch nach umweltfreundlichen und biokompatiblen Produkten zu erfüllen. Extrakte aus Pflanzen wie Aloe Vera, Grüntee oder Propolis zeigen in ersten Studien antimikrobielle und entzündungshemmende Eigenschaften, die für die Anwendung in Mundspülungen genutzt werden könnten16.
Individuell abwägen statt pauschal spülen
Die Entscheidung für oder gegen die Verwendung einer Mundspülung sollte auf einer individuellen Risiko-Nutzen-Abwägung basieren. Während Mundspülungen bei bestimmten Indikationen einen klaren Mehrwert bieten können, sind sie kein Ersatz für die mechanische Plaquekontrolle durch Zähneputzen und Interdentalraumreinigung.
Für Patienten mit eingeschränkter Mundhygienefähigkeit, erhöhtem Kariesrisiko, akuten Zahnfleischentzündungen oder nach chirurgischen Eingriffen können Mundspülungen mit dem jeweils geeigneten Wirkstoff eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Die Auswahl sollte dabei stets evidenzbasiert und unter Berücksichtigung individueller Faktoren erfolgen.
Bei der Anwendung ist auf die korrekte Dosierung, Anwendungsdauer und -häufigkeit zu achten. Hochkonzentrierte antimikrobielle Mundspülungen wie Chlorhexidin sollten aufgrund ihrer Nebenwirkungen nur zeitlich begrenzt und bei klarer Indikation verwendet werden. Für die Langzeitanwendung eignen sich mildere Formulierungen mit ätherischen Ölen oder niedrig dosiertem CPC.
Die aktuelle Evidenzlage zeigt, dass Mundspülungen bei gezieltem Einsatz einen wertvollen Beitrag zur Mundgesundheit leisten können. Gleichzeitig mahnen neuere Erkenntnisse zu möglichen Langzeitrisiken und Auswirkungen auf das orale Mikrobiom zur Vorsicht bei übermäßiger oder undifferenzierter Anwendung. Wie so oft in der Medizin gilt auch hier: Die Dosis macht das Gift – und die richtige Indikation den Erfolg.
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