Ein stiller Angriff auf die Zähne

Ein stiller Angriff auf die Zähne

| 18.3.2025 |

Zahnerosionen, der fortschreitende Verlust von Zahnhartsubstanz durch chemische Prozesse ohne bakterielle Beteiligung, stellen eine wachsende Herausforderung in der modernen Zahnmedizin dar. Während Karies, verursacht durch bakterielle Säuren, seit Langem im Fokus der oralen Gesundheitsprävention steht, gewinnen die nicht-kariösen Zahnhartsubstanzverluste, insbesondere die Erosionen, zunehmend an Bedeutung. Diese schleichende Zerstörung des Zahnschmelzes und des darunterliegenden Dentins kann zu erheblichen ästhetischen und funktionellen Beeinträchtigungen führen, von erhöhter Sensibilität bis hin zu substanziellen Zahnverlusten. Die Ursachen sind vielfältig und reichen von der Ernährung über bestimmte Lebensgewohnheiten bis hin zu internen medizinischen Zuständen.

Die unsichtbaren Angreifer

Die Hauptakteure bei der Zahnerosion sind Säuren, die entweder extrinsischen oder intrinsischen Ursprungs sein können. Extrinsische Säuren gelangen über Nahrungsmittel, Getränke oder Medikamente in die Mundhöhle, während intrinsische Säuren aus dem Körper selbst stammen, primär Magensäure. Die erosive Wirkung einer Säure hängt nicht nur von ihrem pH-Wert ab, sondern auch von ihrer Titrierbarkeit (Pufferkapazität), der Anwesenheit von Chelatbildnern sowie von Kalzium-, Phosphat- und Fluoridionen in der Lösung 1.

Zu den prominentesten extrinsischen Säuren zählen Zitronensäure, Phosphorsäure, Apfelsäure, Weinsäure und Kohlensäure. Zitronensäure, reichlich vorhanden in Zitrusfrüchten, Softdrinks und Süßigkeiten, gilt als besonders erosiv wirksam 2. Phosphorsäure ist ein häufiger Bestandteil von Cola-Getränken. Apfelsäure findet sich in Äpfeln, Weinsäure in Trauben und Wein. Kohlensäure in kohlensäurehaltigen Getränken kann ebenfalls zur Erosion beitragen 3. Essig, der Essigsäure enthält, ist ein weiterer Faktor.

Intrinsische Säuren sind hauptsächlich auf Magensäure zurückzuführen, die bei gastroösophagealem Reflux (GERD), Sodbrennen oder Essstörungen wie Bulimie in die Mundhöhle gelangt. Salzsäure, der Hauptbestandteil der Magensäure, hat einen extrem niedrigen pH-Wert (ca. 1,0-2,0) und ist daher hochgradig erosiv. Chronischer Kontakt mit Magensäure führt zu charakteristischen Erosionsmustern, oft an den palatinalen Flächen der Oberkieferzähne und den okklusalen Flächen der Molaren 4.

Neueste Erkenntnisse

Der Forschungsstand zur Zahnerosion hat sich in den letzten fünf Jahren erheblich weiterentwickelt, wobei der Fokus zunehmend auf präventive Strategien und das Verständnis komplexer Wechselwirkungen liegt. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass der alleinige pH-Wert eines Lebensmittels oder Getränks nicht ausreicht, um sein erosives Potenzial vollständig zu beurteilen. Studien betonen die Bedeutung der Titrierbarkeit und der Anwesenheit von Mineralien. So kann beispielsweise ein kalziumreiches Lebensmittel trotz eines niedrigen pH-Wertes eine geringere erosive Wirkung haben 5.

Metaanalysen der letzten Jahre haben die Wirksamkeit von Fluoriden im Schutz vor Zahnerosionen erneut bestätigt. Fluoridionen fördern die Remineralisation des Zahnschmelzes und bilden eine säureresistentere Schicht auf der Zahnoberfläche. Neuere Forschungen untersuchen zudem den Einsatz von bioaktiven Materialien wie Hydroxylapatit und Biogläsern, die das Potenzial haben, den Zahnschmelz zu reparieren und zu stärken. Insbesondere Hydroxylapatit, der Hauptbestandteil des Zahnschmelzes, wird in Zahnpasten und Mundspülungen eingesetzt, um die Remineralisation zu unterstützen und die Zahnoberfläche widerstandsfähiger gegen Säureangriffe zu machen 6.

Kontrovers diskutiert wird weiterhin der optimale Zeitpunkt für das Zähneputzen nach dem Konsum säurehaltiger Speisen und Getränke. Während lange Zeit empfohlen wurde, eine Wartezeit von 30 bis 60 Minuten einzuhalten, zeigen neuere Studien, dass diese Wartezeit möglicherweise unnötig ist oder sogar kontraproduktiv sein kann. Eine Metaanalyse chinesischer Forscher aus dem Jahr 2020 konnte keine belastbare Evidenz für die Notwendigkeit einer Wartezeit finden 7. Einige Experten argumentieren, dass das sofortige Entfernen der Säuren durch Putzen mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta den Nutzen überwiegen könnte. Diese Debatte unterstreicht die Komplexität der Materie und die Notwendigkeit weiterer Forschung.

Ein weiterer Forschungsbereich befasst sich mit dem Einfluss von Sportgetränken und Energydrinks. Studien zeigen, dass Sportler aufgrund des erhöhten Konsums solcher Getränke und des oft reduzierten Speichelflusses während des Trainings ein höheres Risiko für Zahnerosionen haben 8. Die Rolle des Speichels als natürlicher Schutzmechanismus wird ebenfalls intensiv erforscht. Speichel neutralisiert Säuren, spült sie weg und liefert Mineralien für die Remineralisation. Ein reduzierter Speichelfluss (Hyposalivation) kann das Risiko für Zahnerosionen erheblich erhöhen.

Schutz und Prävention in der Praxis

Die neuen Erkenntnisse zur Zahnerosion haben direkte Auswirkungen auf die zahnärztliche Praxis. Die frühzeitige Erkennung erosiver Läsionen ist entscheidend. Moderne Diagnostik setzt vermehrt auf nicht-invasive Methoden und die genaue Analyse der Lebensgewohnheiten der Patienten. Eine detaillierte Anamnese bezüglich Ernährung, Getränkekonsum, Medikamenteneinnahme und möglicher systemischer Erkrankungen ist unerlässlich. Visuelle Inspektion, unterstützt durch intraorale Kameras und gegebenenfalls digitale Scans, ermöglicht eine präzise Dokumentation und Überwachung.

In der Prophylaxe verschiebt sich der Fokus von einer reinen Kariesprävention hin zu einem umfassenden Management von Zahnhartsubstanzverlusten. Individuelle Ernährungsberatung spielt eine zentrale Rolle. Patienten sollten über den Säuregehalt von Lebensmitteln und Getränken aufgeklärt werden und Empfehlungen zum Konsumverhalten erhalten. Dazu gehören das Reduzieren der Häufigkeit des Säurekonsums, das Trinken säurehaltiger Getränke mit einem Strohhalm und das Spülen des Mundes mit Wasser oder Milch nach dem Säurekonsum 9.

Die Anwendung von Fluoriden bleibt ein Eckpfeiler der Prophylaxe. Neben fluoridhaltigen Zahnpasten und Mundspülungen können hochkonzentrierte Fluoridlacke oder -gele in der Praxis angewendet werden. Die Integration von Hydroxylapatit in Zahnpflegeprodukten bietet eine vielversprechende Ergänzung, insbesondere für Patienten mit erhöhtem Erosionsrisiko oder bestehenden Läsionen. Diese Produkte können die Remineralisation unterstützen und die Zahnoberfläche widerstandsfähiger machen.

Für die Therapie erosiver Läsionen gilt das Prinzip der minimalinvasiven Intervention. Bei geringem Substanzverlust können adhäsive Restaurationen indiziert sein. Bei ausgeprägten Erosionen können indirekte Restaurationen wie Veneers oder Teilkronen notwendig werden. Die enge Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Fachrichtungen, insbesondere bei intrinsischen Säurequellen, ist von großer Bedeutung.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen von Zahnerosionen sind nicht zu unterschätzen. Die Behandlung fortgeschrittener Läsionen ist oft aufwendig und kostspielig. Eine effektive Prävention und frühzeitige Intervention können langfristig erhebliche Kosten einsparen. Technologische Fortschritte, wie die Entwicklung neuer Biomaterialien und verbesserter Diagnosetools, tragen dazu bei, die Effizienz und Effektivität der Behandlung zu steigern. Organisatorisch erfordert das Management von Zahnerosionen eine stärkere Integration von Präventionsprogrammen in den Praxisalltag.

Ein Blick in die Zukunft

Die Forschung im Bereich der Zahnerosion ist dynamisch und vielversprechend. Laufende Studien konzentrieren sich auf die Entwicklung noch effektiverer Biomaterialien, die den Zahnschmelz nicht nur schützen, sondern aktiv regenerieren können. Das Peptid P11-4 zeigt vielversprechende Ergebnisse bei der Förderung der Remineralisation und dem Schutz vor Erosionen 10. Die Anwendung von Nanotechnologie zur Entwicklung von Zahnpflegeprodukten mit nanoskaligen Hydroxylapatitpartikeln ist ein weiterer vielversprechender Ansatz.

Disruptive Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) könnten die Diagnostik und das Management von Zahnerosionen revolutionieren. KI-gestützte Bildanalyse könnte erosive Läsionen in frühen Stadien präziser erkennen und ihren Verlauf prognostizieren. Darüber hinaus könnten KI-Systeme personalisierte Präventionsstrategien entwickeln. Die Integration von Wearables, die den pH-Wert im Mundraum kontinuierlich überwachen, könnte ebenfalls neue Möglichkeiten für eine proaktive Prävention eröffnen.

Langfristig wird die Zahnmedizin eine noch stärkere Betonung auf die personalisierte Prävention legen. Das Verständnis der individuellen Risikofaktoren und der genetischen Prädisposition für Zahnerosionen wird es ermöglichen, maßgeschneiderte Prophylaxeprogramme zu entwickeln. Das Ziel ist es, nicht nur die Symptome zu behandeln, sondern die Ursachen der Zahnerosion an der Wurzel zu packen und so ein gesundes Lächeln ein Leben lang zu erhalten.

Quellen
  1. Lussi, A. (2023). Die erosive Wirkung verschiedener Getränke, Speisen, Genussmittel, Medikamente und Mundspülungen auf den menschlichen Zahnschmelz. Swiss Dental Journal, 133(1), 1-10.
  2. Wolmershäuser, S. (2004). Die erosive Wirkung verschiedener Säuren auf den Zahnschmelz. Dissertation, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
  3. BLV. (n.d.). Risiko von Zahnerosion. Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen. Verfügbar unter: https://www.blv.admin.ch/dam/blv/de/dokumente/lebensmittel-und-ernaehrung/publikationen-forschung/signal-report-getranke-zahnerosion.pdf.download.pdf/Signal_Report_Boissons_sucr%C3%A9es_et_acides_Risiko_d\%27Erosion_dentaire%20DE.pdf(https://www.blv.admin.ch/dam/blv/de/dokumente/lebensmittel-und-ernaehrung/publikationen-forschung/signal-report-getranke-zahnerosion.pdf.download.pdf/Signal_Report_Boissons_sucr%C3%A9es_et_acides_Risiko_d\%27Erosion_dentaire%20DE.pdf)
  4. NetDoktor. (2021). Zahnerosion: Beschreibung, Behandlung, Vorbeugung. Verfügbar unter: https://www.netdoktor.de/krankheiten/zahnerosion/(https://www.netdoktor.de/krankheiten/zahnerosion/)
  5. Zukunft Zahn. (n.d.). Zahnerosion: Ursachen für den Verlust der Zahnhartsubstanz. Verfügbar unter: https://info.zukunftzahn.de/zahnerosion-ursachen-fuer-den-verlust-der-zahnhartsubstanz/(https://info.zukunftzahn.de/zahnerosion-ursachen-fuer-den-verlust-der-zahnhartsubstanz/)
  6. Bioniq. (n.d.). Zahnpflege Forschung und Innovation. Verfügbar unter: https://www.bioniq-repair-zahnpflege.com/de-de/forschung/zahnpflege-forschung-und-innovation-bioniq-repair-zahnpflege(https://www.bioniq-repair-zahnpflege.com/de-de/forschung/zahnpflege-forschung-und-innovation-bioniq-repair-zahnpflege)
  7. ZM Online. (2020). Warten mit Zähneputzen nach erosiven Speisen ist unnötig. Verfügbar unter: https://www.zm-online.de/news/detail/warten-mit-zaehneputzen-nach-erosiven-speisen-ist-unnoetig(https://www.zm-online.de/news/detail/warten-mit-zaehneputzen-nach-erosiven-speisen-ist-unnoetig)
  8. Pharmazeutische Zeitung. (2025). Darum haben Sportler oft schlechtere Zähne. Verfügbar unter: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/darum-haben-sportler-oft-schlechtere-zaehne-153997/(https://www.pharmazeutische-zeitung.de/darum-haben-sportler-oft-schlechtere-zaehne-153997/)
  9. Curaprox. (n.d.). Zahnerosionen behandeln und Zahnschmelzabbau stoppen. Verfügbar unter: https://curaprox.ch/de/blog/post/zahnerosion-verhindern-so-schutzt-du-deinen-zahnschmelz(https://curaprox.ch/de/blog/post/zahnerosion-verhindern-so-schutzt-du-deinen-zahnschmelz)
  10. Springer Medizin. (2025). Regeneration initialer Kariesläsionen mit Peptiden. Verfügbar unter: https://link.springer.com/article/10.1007/s44190-025-1096-z(https://link.springer.com/article/10.1007/s44190-025-1096-z)
  • Die Praxis ist sehr gut organisiert. Man hat keine Wartezeiten. Die Behandlung ist freundlich und kompetent. Seit ich dort bin habe ich keine Zahnprobleme mehr.

    5 von 5 Sternen
  • Super Behandlung und super Zeitmanagement.4 Implantate perfekt versorgt.Komme extra aus dem Ausland. Hat sich gelohnt.Danke!

    5 von 5 Sternen
  • Sehr angenehm _ vielen herzlichen Dank

    5 von 5 Sternen