Die unsichtbare Gefahr für Implantate

Die unsichtbare Gefahr für Implantate

| 22.3.2024 |

Die moderne Zahnmedizin hat durch den Einsatz von Zahnimplantaten die Lebensqualität unzähliger Patienten maßgeblich verbessert. Implantate bieten eine ästhetisch ansprechende und funktionell hochwertige Lösung für den Verlust natürlicher Zähne. Doch trotz ihrer hohen Erfolgsraten sind sie nicht immun gegen Komplikationen. Eine der größten Herausforderungen stellen periimplantäre Erkrankungen dar, die das langfristige Überleben von Implantaten gefährden können. Diese entzündlichen Prozesse, die das Gewebe um das Implantat betreffen, reichen von einer reversiblen Mukositis bis hin zur progressiven und potenziell irreversiblen Periimplantitis, die mit Knochenverlust einhergeht. Aktuelle Studien zeigen, dass über 40 Prozent der Implantate von einer Mukositis und etwa 20 Prozent von einer Periimplantitis betroffen sein können. Angesichts der steigenden Anzahl von Implantatversorgungen weltweit ist es von entscheidender Bedeutung, die Mechanismen dieser Erkrankungen zu verstehen, ihre Diagnose zu optimieren und effektive Präventions- und Therapiestrategien zu entwickeln.

Aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung

Die Forschung zu periimplantären Erkrankungen hat in den letzten fünf Jahren erhebliche Fortschritte gemacht, insbesondere im Verständnis ihrer komplexen Ätiologie und Pathogenese. Während der bakterielle Biofilm weiterhin als primärer Auslöser für periimplantäre Entzündungen gilt, mehren sich die Hinweise auf weitere Faktoren, die eine entscheidende Rolle spielen. Eine zentrale Debatte dreht sich um die Frage, inwieweit die Periimplantitis eine rein plaqueassoziierte Erkrankung ist oder ob andere Faktoren, wie die Freisetzung von Titanpartikeln und -ionen, ebenfalls signifikant zur Entzündungsreaktion beitragen. Neuere Studien, darunter synchrotronbasierte Pilotstudien, haben Titan- und Eisenelemente im periimplantären Weich- und Hartgewebe von Patienten mit Periimplantitis nachgewiesen. Die genauen Mechanismen, wie diese Partikel ins Gewebe gelangen – sei es durch die Implantatinsertion, Mikrobewegungen zwischen Implantat und Abutment oder Biokorrosion – sind Gegenstand intensiver Forschung. Obwohl ein histologischer Nachweis von Makrophagen und Lymphozyten in der Nähe dieser Partikel erbracht wurde, ist eine direkte Kausalität zwischen Titangehalt, Partikelkonfiguration und Immunreaktion noch nicht abschließend verifiziert. Diese Erkenntnisse eröffnen jedoch neue Perspektiven für die Entwicklung von Implantatmaterialien und -oberflächen, die potenziell weniger anfällig für solche Reaktionen sind.

Ein weiterer Schwerpunkt der aktuellen Forschung liegt auf der immunologischen Reaktion des Wirts. Es hat sich gezeigt, dass periimplantäre Läsionen ein spezifisches immunologisches Polarisationsmuster aufweisen, das sich von dem bei Parodontitis unterscheidet. Insbesondere wurde eine höhere Anzahl proinflammatorischer Makrophagen (M1-Polarisation) in periimplantären Läsionen festgestellt. Dies deutet darauf hin, dass die Entzündungsreaktion um Implantate möglicherweise aggressiver verläuft und weniger selbstlimitierend ist als bei natürlichen Zähnen. Das Verständnis dieser spezifischen Immunantwort könnte zukünftig zu gezielteren therapeutischen Ansätzen führen, die über die reine Biofilmentfernung hinausgehen.

Die Diagnostik periimplantärer Erkrankungen stützt sich weiterhin primär auf klinische Parameter wie die periimplantäre Taschentiefenmessung (PPD) und den radiologischen marginalen Knochenverlust (MBL). Die S3-Leitlinie zur Behandlung periimplantärer Infektionen an Zahnimplantaten, die zuletzt im Dezember 2022 aktualisiert wurde, betont die Notwendigkeit eines Ausgangsbefundes nach Implantation, um Veränderungen frühzeitig erkennen zu können. Mikrobiologische Tests und Biomarker wie Zytokine im periimplantären Sulkusfluid werden derzeit noch nicht routinemäßig für die Diagnostik empfohlen, aber Gegenstand aktiver Forschung. Die Studienlage ist heterogen, und es besteht weiterhin Bedarf an RCTs und systematischen Reviews zur Stärkung der Evidenzbasis. Kontroverse Standpunkte existieren beispielsweise hinsichtlich der optimalen Oberflächenbeschaffenheit von Implantaten und der Rolle von Zementresten bei der Entstehung von Periimplantitis. Während einige Studien die Bedeutung einer rauen Oberfläche für die Osseointegration hervorheben, weisen andere auf ein erhöhtes Risiko für Biofilmakkumulation und Entzündungen hin. Die Diskussion um die Notwendigkeit einer vollständigen Entfernung von Zementresten bei zementierten Restaurationen bleibt ebenfalls ein zentrales Thema, da verbleibende Reste als Fremdkörperreaktion periimplantäre Entzündungen auslösen können.

Diagnostik, Therapie und Prävention neu gedacht

Die jüngsten Erkenntnisse zur Ätiologie und Pathogenese periimplantärer Erkrankungen haben direkte Auswirkungen auf die klinische Praxis und erfordern eine Anpassung der Diagnostik, Therapie und Prophylaxe. Die Betonung der frühzeitigen Erkennung und Intervention bleibt von größter Bedeutung. Regelmäßige Nachkontrollen, idealerweise alle drei Monate, sind unerlässlich, um eine periimplantäre Mukositis frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, bevor sie zu einer Periimplantitis fortschreitet. Hierbei ist die präzise Messung der periimplantären Taschentiefen und die radiologische Kontrolle des marginalen Knochenverlusts entscheidend. Ein Vergleich mit dem Ausgangsbefund nach der Implantation ermöglicht die Detektion auch geringfügiger Veränderungen. Die Dokumentation dieser Befunde ist essenziell für ein evidenzbasiertes Vorgehen.

Die nicht-chirurgische Therapie der periimplantären Mukositis, die primär auf der Biofilmentfernung basiert, hat sich als wirksam erwiesen und kann eine vollständige Abheilung erreichen. Dies umfasst professionelle Zahnreinigungen, die Instruktion und Motivation des Patienten zur Optimierung der häuslichen Mundhygiene sowie gegebenenfalls den Einsatz von antiseptischen Spüllösungen. Bei der Periimplantitis hingegen zeigt die aktuelle Studienlage, dass die nicht-chirurgische Therapie oft nicht ausreicht, um eine vollständige Abheilung zu erzielen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit eines raschen chirurgischen Eingreifens bei fortgeschrittenen Läsionen. Chirurgische Optionen reichen von resektiven Verfahren, die darauf abzielen, den Defekt zu eliminieren und eine reinigungsfähige Situation zu schaffen, bis hin zu regenerativen Verfahren, die den verlorenen Knochen wiederherstellen sollen. Alternative Verfahren zur Biofilmentfernung, wie der Einsatz von Lasern oder antimikrobieller photodynamischer Therapie (aPDT), werden erforscht, sind aber noch nicht als Standardtherapie etabliert und sollten nur unter strenger Indikationsstellung und als adjuvante Maßnahme eingesetzt werden. Die Entscheidung für eine chirurgische Intervention sollte individuell getroffen werden, wobei die Größe des Knochendefekts, die Ästhetik und die Möglichkeit einer regenerativen Therapie berücksichtigt werden müssen.

Ein kritischer Aspekt der Prävention beginnt bereits in der Planungsphase der Implantattherapie. Die korrekte Positionierung der Implantate und die Gestaltung der Suprakonstruktionen müssen eine optimale Zugänglichkeit für die häusliche Mundhygiene des Patienten und für professionelle Reinigungsmaßnahmen gewährleisten. Studien haben gezeigt, dass unzureichende Zugänglichkeit das Risiko für periimplantäre Erkrankungen signifikant erhöht. Die Verwendung von verschraubten Rekonstruktionen kann hier Vorteile bieten, da sie bei Bedarf leichter entfernt werden können, um eine gründliche Reinigung oder einen chirurgischen Zugang zu ermöglichen. Auch die Auswahl des Implantatmaterials und der Oberflächenbeschaffenheit könnte in Zukunft eine größere Rolle spielen, insbesondere im Hinblick auf die diskutierte Rolle von Titanpartikeln und -ionen. Obwohl hier noch Forschungsbedarf besteht, sollten Zahnärzte die Entwicklungen in diesem Bereich aufmerksam verfolgen und bei der Materialauswahl die neuesten Erkenntnisse berücksichtigen.

Für Patienten mit einer Vorgeschichte von Parodontitis ist das Risiko für periimplantäre Erkrankungen deutlich erhöht. Eine konsequente und erfolgreiche Parodontaltherapie vor der Implantation sowie ein engmaschiger Recall nach der Implantation sind bei diesen Patienten von entscheidender Bedeutung. Die Reduktion oder Eliminierung parodontaler Resttaschen kann das Risiko für periimplantäre Komplikationen annähernd auf das Niveau parodontal gesunder Patienten senken. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Patient sowie eine hohe Compliance des Patienten bei der Mundhygiene und den Recall-Terminen. Wirtschaftliche Implikationen ergeben sich aus der Notwendigkeit einer intensiveren Nachsorge und potenziell komplexeren Therapien bei bereits bestehenden periimplantären Erkrankungen. Die Investition in präventive Maßnahmen und eine frühzeitige Diagnose kann langfristig Kosten sparen und den Implantaterhalt sichern. Organisatorische Auswirkungen umfassen die Notwendigkeit, Recall-Systeme zu optimieren und das Praxisteam entsprechend zu schulen, um die Patienten umfassend betreuen zu können.

Innovationen für eine erfolgreiche Implantologie

Die Zukunft der Implantologie wird maßgeblich von Fortschritten im Verständnis und der Behandlung periimplantärer Erkrankungen geprägt sein. Aktuell laufen zahlreiche Studien, die sich mit der weiteren Aufklärung der Ätiologie, der Entwicklung präziserer diagnostischer Methoden und der Erprobung innovativer Therapieansätze befassen. Ein vielversprechender Forschungsansatz ist die Entwicklung von Implantatoberflächen, die nicht nur eine optimale Osseointegration fördern, sondern auch eine verbesserte Resistenz gegenüber bakterieller Kolonisation und entzündlichen Prozessen aufweisen. Hierbei könnten neue Biomaterialien oder Beschichtungen, die antimikrobielle Eigenschaften besitzen oder die Immunantwort des Wirts positiv modulieren, eine entscheidende Rolle spielen. Beispiele hierfür sind bioaktive Oberflächen, die die Anlagerung von Osteoblasten fördern und gleichzeitig die Adhäsion von Bakterien hemmen, oder die Integration von Wirkstoffen, die bei Bedarf freigesetzt werden können.

Disruptive Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) und verbesserte Biomaterialien werden das Feld revolutionieren. KI-gestützte Diagnosesysteme könnten in Zukunft in der Lage sein, periimplantäre Erkrankungen in einem noch früheren Stadium zu erkennen, indem sie subtile Veränderungen in radiologischen Bildern oder klinischen Parametern identifizieren, die für das menschliche Auge schwer erkennbar sind. Dies würde eine noch präzisere und personalisierte Risikobewertung ermöglichen. Darüber hinaus könnte KI bei der Optimierung von Behandlungsstrategien helfen, indem sie basierend auf einer Vielzahl von Patientendaten die wahrscheinlichsten Therapieerfolge vorhersagt. Im Bereich der Biomaterialien wird an intelligenten Materialien geforscht, die auf Entzündungen reagieren und gezielt Wirkstoffe freisetzen können, um die Heilung zu fördern oder die bakterielle Belastung zu reduzieren. Auch die Entwicklung von regenerativen Therapien, die den verlorenen Knochen und das Weichgewebe um das Implantat vollständig wiederherstellen können, ist ein aktives Forschungsfeld.

Langfristig zielen diese Entwicklungen darauf ab, die Vorhersagbarkeit und den langfristigen Erfolg von Zahnimplantaten weiter zu erhöhen. Die Prävention wird dabei eine noch zentralere Rolle spielen, unterstützt durch verbesserte Risikoprofile und maßgeschneiderte Prophylaxeprogramme. Die Integration von genetischen und immunologischen Markern in die Routinediagnostik könnte es ermöglichen, Patienten mit einem erhöhten Risiko für periimplantäre Erkrankungen frühzeitig zu identifizieren und präventive Maßnahmen zu intensivieren. Die Vision ist eine Implantologie, in der periimplantäre Erkrankungen nicht nur effektiv behandelt, sondern idealerweise vollständig vermieden werden können, um Patienten eine dauerhaft hohe Lebensqualität zu sichern. Die kontinuierliche Weiterbildung des zahnärztlichen Teams und die Implementierung evidenzbasierter Leitlinien sind dabei unerlässlich, um die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse in die tägliche Praxis zu integrieren und den Patienten die bestmögliche Versorgung zu bieten.

Quellen
  1. Berglundh, T., Giannobile, W. V., & Lang, N. P. (2018). The 2018 World Workshop on the Classification of Periodontal and Peri-Implant Diseases and Conditions: an introduction. Journal of Clinical Periodontology, 45(Suppl 20), S1–S8.
  2. Schwarz, F., Jepsen, S., Oates, T. W., & Cochran, D. L. (2018). Clinical Management of Peri-Implant Diseases: Consensus Report of Working Group 3 of the 2017 World Workshop on the Classification of Periodontal and Peri-Implant Diseases and Conditions. Journal of Clinical Periodontology, 45(Suppl 20), S237–S249.
  3. S3-Leitlinie: Die Behandlung periimplantärer Infektionen an Zahnimplantaten. (2022). AWMF-Registernummer: 083 – 023. Verfügbar unter: https://register.awmf.org/assets/guidelines/083-023l_S3_Behandlung-periimplantaerer-Infektionen-an-Zahnimplantaten_2023-05.pdf (Zugriff am: 21. Juni 2025).
  4. Fretwurst, T., & Nelson, K. (2023). Neue Erkenntnisse zur Periimplantitis. Spitta dentalwelt. Verfügbar unter: https://dentalwelt.spitta.de/zahnmedizin/neue-erkenntnisse-zur-periimplantitis/ (Zugriff am: 21. Juni 2025).
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