Die Wahl des geeigneten Füllmaterials ist eine zentrale Entscheidung in der restaurativen Zahnmedizin, die langfristige Mundgesundheit und ästhetische Präferenzen maßgeblich beeinflusst. Amalgam und Kompositkunststoffe dominieren seit Jahrzehnten die Diskussion um die optimale Versorgung kariöser Läsionen. Während Amalgam lange Zeit als Goldstandard galt, hat es aufgrund seines Quecksilbergehalts und ästhetischer Nachteile an Akzeptanz verloren. Kompositmaterialien bieten eine ästhetisch ansprechende Alternative, deren klinische Performance und Biokompatibilität kontinuierlich weiterentwickelt werden. Angesichts jüngster regulatorischer Änderungen, wie dem Phase-out von Dentalamalgam in der EU ab 2025, und wachsender wissenschaftlicher Evidenz stellt sich die Frage: Welches Füllmaterial bietet unter Berücksichtigung aktueller Forschungsergebnisse die besten Voraussetzungen für eine dauerhafte und patientengerechte Versorgung?
Was die Forschung enthüllt
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Amalgam und Kompositfüllungen ist von dynamischer Entwicklung geprägt, insbesondere in den letzten fünf Jahren. Aktuelle Studien und Metaanalysen liefern differenzierte Einblicke in Langlebigkeit, Biokompatibilität und klinische Performance beider Materialien.
Eine retrospektive Kohortenstudie aus dem Jahr 2024 von Tobias et al. 1 analysierte über 650.000 Patienten in Israel und zeigte, dass Kompositfüllungen mit einer Misserfolgsrate von 11,98% signifikant besser abschnitten als Amalgamfüllungen mit 17,49%. Die Autoren schlussfolgerten, dass Komposit Amalgam überlegen sei und die Einstellung der Verwendung von quecksilberhaltigem Amalgam sinnvoll sei. Die Stärke dieser Studie liegt in ihrer großen, realen Datenbasis, die hohe Generalisierbarkeit ermöglicht. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass es sich um eine retrospektive Studie handelt, die keine kausalen Zusammenhänge beweisen kann.
Im Gegensatz dazu steht eine systematische Überprüfung und Metaanalyse von Santos et al. aus dem Jahr 2025 3, die die klinische Langlebigkeit von komplexen direkten posterioren Komposit- und Amalgamrestaurationen untersuchte. Die Autoren stellten einen Trend zu höheren Misserfolgsraten bei mehrflächigen Kompositrestaurationen fest, dieser Unterschied war jedoch statistisch nicht signifikant. Die häufigsten Gründe für das Versagen beider Materialtypen waren Sekundärkaries und Frakturen. Die Studie hob die geringe Qualität der Evidenz hervor.
Eine ältere, aber oft zitierte systematische Überprüfung und Metaanalyse von Moraschini und Ka Fai aus dem Jahr 2015 4 kam zu dem Schluss, dass Kompositfüllungen in posterioren Zähnen eine geringere Langlebigkeit und eine höhere Rate an Sekundärkaries aufweisen als Amalgamfüllungen. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit einer kritischen Bewertung der Studienmethodik und des Evidenzlevels.
Die Diskussion um Amalgam wird auch maßgeblich durch umweltpolitische Aspekte beeinflusst. Frankenberger et al. 5 beleuchteten 2021 die Debatte um Amalgam im Hinblick auf seinen Quecksilbergehalt und das Minamata-Übereinkommen von 2013. Infolgedessen wurden ab 2017 weitere Limitationen für die Verwendung von Amalgam eingeführt. Der Artikel betont, dass Amalgam zwar historisch für seine Langlebigkeit geschätzt wurde, aber ästhetische Gründe und Umweltbedenken zu einer Verschiebung hin zu zahnfarbenen Alternativen geführt haben. Kompositkunststoffe haben sich durch die Weiterentwicklung der Adhäsivtechnik als das am häufigsten verwendete Füllungsmaterial etabliert.
Die Quintessenz Publishing 2 berichtete Ende 2024 über die neue Richtlinie für „Kassenfüllungen“ in Deutschland, die ab dem 1. Januar 2025 das Ende der Amalgamverwendung für neue Zahnfüllungen vorsieht. Die Richtlinie sieht selbstadhäsive Materialien, insbesondere Glashybride, als Alternativen vor. Es wird betont, dass es keinen universellen Amalgamersatz gibt und die Materialwahl indikationsgerecht erfolgen sollte. Glashybride und Bulk-Fill-Komposite werden als vielversprechende Optionen hervorgehoben.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Forschung der letzten Jahre ein komplexes Bild zeichnet. Während einige Studien auf eine Überlegenheit von Komposit hindeuten, betonen andere die Notwendigkeit weiterer Forschung. Die regulatorischen Entwicklungen und das wachsende Umweltbewusstsein forcieren jedoch den Übergang zu quecksilberfreien Alternativen.
Neue Wege für Zahnärzte
Die aktuellen Forschungsergebnisse und die bevorstehenden regulatorischen Änderungen haben weitreichende praktische Implikationen für Zahnarztpraxen. Der Abschied vom Amalgam erfordert eine Neuausrichtung in Materialwahl, Behandlungsplanung und Patientenkommunikation.
Mit dem Phase-out von Amalgam ab 2025 2 müssen Zahnärzte verstärkt auf alternative Füllungsmaterialien wie Komposite und Glashybride setzen. Die Verarbeitung von Kompositen ist techniksensitiver und erfordert präzise Adhäsivtechniken. Schulungen und Weiterbildungen sind daher unerlässlich. Glashybride bieten eine vielversprechende Option, insbesondere für zuzahlungsfreie Versorgungen, da sie weniger techniksensitiv sein können als herkömmliche Komposite 2. Die Entscheidung für ein Material sollte stets indikationsgerecht erfolgen.
Die Erkenntnis, dass Sekundärkaries und Frakturen die Hauptursachen für das Versagen von Füllungen sind 3, unterstreicht die Bedeutung einer präzisen Diagnostik und verstärkten Prophylaxe. Regelmäßige Kontrollen und konsequente Mundhygiene sind entscheidend, um die Langlebigkeit von Füllungen zu maximieren.
Der Übergang zu zahnfarbenen Materialien kann wirtschaftliche Auswirkungen auf Zahnarztpraxen haben. Komposite sind in der Regel teurer und erfordern oft mehr Behandlungszeit. Dies kann zu höheren Material- und Personalkosten führen. Organisatorisch müssen Praxen möglicherweise ihre Terminplanung anpassen. Die Investition in neue Geräte kann ebenfalls notwendig sein.
Die veränderte Materiallandschaft erfordert eine transparente und umfassende Patientenkommunikation. Patienten sollten über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Füllungsmaterialien aufgeklärt werden, einschließlich ästhetischer Aspekte, Langlebigkeit, Kosten und potenzieller Risiken. Die Diskussion um Quecksilber und die Umweltaspekte des Amalgams 5 sind ebenfalls wichtige Punkte, die in der Beratung berücksichtigt werden sollten.
Innovationen gestalten die Zukunft der Füllungstherapie
Die Zahnmedizin steht an der Schwelle zu einer Ära, in der innovative Technologien und Materialien die Füllungstherapie grundlegend verändern könnten. Während die Diskussion um Amalgam und Komposit weiterhin relevant bleibt, zeichnen sich vielversprechende Forschungsansätze und disruptive Technologien ab.
Die kontinuierliche Weiterentwicklung von Kompositmaterialien steht im Fokus zahlreicher Studien. Hierbei geht es um die Verbesserung der mechanischen Eigenschaften, der Langlebigkeit, der Biokompatibilität und der Verarbeitbarkeit. Forschung an neuen Initiatorsystemen, Füllstoffen und Monomeren zielt darauf ab, die Polymerisationsschrumpfung zu reduzieren und die Haftung zu verbessern. Auch bioaktive Materialien, die Remineralisierungsprozesse unterstützen oder antibakterielle Eigenschaften aufweisen, gewinnen an Bedeutung.
Potenziell disruptive Technologien:
Künstliche Intelligenz (KI): KI könnte in der Diagnostik kariöser Läsionen eine revolutionäre Rolle spielen, indem sie Zahnärzte dabei unterstützt, Karies in einem sehr frühen Stadium zu erkennen. Darüber hinaus könnte KI bei der Auswahl des optimalen Füllmaterials assistieren.
Biomaterialien und Tissue Engineering: Die Entwicklung von Materialien, die die natürlichen Eigenschaften des Zahngewebes imitieren oder die Regeneration von Dentin und Pulpa anregen können, stellt einen langfristigen Forschungsbereich dar.
Digitale Workflow-Optimierung: Die Integration digitaler Technologien, wie CAD/CAM-Systeme, wird weiter voranschreiten. Dies ermöglicht präzisere und passgenauere Restaurationen in kürzerer Zeit.
Die Zukunft der Füllungstherapie wird voraussichtlich von einer stärkeren Individualisierung und Präzisionsmedizin geprägt sein. Die Rolle des Zahnarztes wird sich von der reinen Reparatur hin zu einem umfassenden Gesundheitsmanager entwickeln. Die kontinuierliche Fortbildung und Anpassung an neue Technologien werden entscheidend sein.
Quellen
- Tobias, G., Chackartchi, T., Mann, J., Haim, D., & Findler, M. (2024). Survival Rates of Amalgam and Composite Resin Restorations from Big Data Real-Life Databases in the Era of Restricted Dental Mercury Use. Bioengineering, 11(6), 579. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11201124/>
- Quintessenz Publishing. (2024, Dezember 20). Neue Richtlinie für „Kassenfüllungen“: Welches Material ist empfehlenswert? https://www.quintessence-publishing.com/deu/de/news/zahnmedizin/-/neue-richtlinie-fuer-kassenfuellungen-welches-material-ist-empfehlenswert>
- Santos, M., Saadaldin, S., Rêgo, H. M. C., Tayan, N., Melo, N. M., & El-Najar, M. (2025). Clinical Longevity of Complex Direct Posterior Resin Composite and Amalgam Restorations: A Systematic Review and Meta-Analysis. Journal of Clinical Medicine, 14(1), 173. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/40458903/>
- Moraschini, V., & Ka Fai, H. (2015). Amalgam and resin composite restorations in posterior teeth: a systematic review and meta-analysis. Journal of Dentistry, 43(9), 1059-1069. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26116767/>
- Frankenberger, R., Krämer, N., & Roggendorf, M. J. (2021). Dentale Füllungstherapie: Amalgam und Alternativen. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz, 64(8), 985-992. https://link.springer.com/article/10.1007/s00103-021-03355-4