Duell der Bürstenköpfe

Duell der Bürstenköpfe

Die tägliche Zahnreinigung ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Mundgesundheit. Während die Handzahnbürste jahrzehntelang das Standardinstrument war, haben elektrische Zahnbürsten in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Unter ihnen haben sich zwei Technologien besonders etabliert: die Schallzahnbürste und die rotierend-oszillierende Zahnbürste. Beide versprechen eine überlegene Reinigungsleistung, doch welche Technologie reinigt tatsächlich effektiver? Diese Frage beschäftigt nicht nur Patienten beim Kauf einer neuen Zahnbürste, sondern auch Zahnärzte bei der Beratung ihrer Patienten.

Die Relevanz dieser Fragestellung wird durch die Tatsache unterstrichen, dass eine effektive Plaqueentfernung maßgeblich zur Prävention von Karies, Gingivitis und Parodontitis beiträgt. Angesichts der Vielzahl an Modellen und der teils widersprüchlichen Werbeaussagen der Hersteller ist eine evidenzbasierte Betrachtung dieses Themas für die zahnmedizinische Praxis von großer Bedeutung.

Die Technologie hinter dem Putzvorgang

Schallzahnbürsten arbeiten mit hochfrequenten Schwingungen, die typischerweise im Bereich von 30.000 bis 40.000 Bewegungen pro Minute liegen. Der Bürstenkopf bewegt sich dabei seitwärts von links nach rechts und erzeugt durch diese schnellen Vibrationen eine charakteristische Reinigungswirkung. Das Besondere an dieser Technologie ist die Erzeugung von sogenannten Mikroströmungen in der Mundhöhle. Durch die Schwingungen werden Flüssigkeiten (Speichel, Wasser und Zahnpasta) in Bewegung versetzt, wodurch auch Bereiche gereinigt werden können, die von den Borsten nicht direkt erreicht werden1.

Im Gegensatz dazu verfügen rotierend-oszillierende Zahnbürsten über einen runden Bürstenkopf, der Rotationsbewegungen ausführt und dabei zwischen 2.500 und 7.500 Mal pro Minute oszilliert. Bei moderneren Modellen werden diese Bewegungen zusätzlich durch Pulsationen ergänzt, die den Zahnbelag von der Zahnoberfläche lösen sollen, bevor er durch die rotierenden Borsten entfernt wird3.

Die unterschiedlichen Technologien führen zu verschiedenen Reinigungsmechanismen: Während Schallzahnbürsten durch ihre Vibrationen und die erzeugten Mikroströmungen eine großflächige Reinigungswirkung erzielen, setzen rotierend-oszillierende Zahnbürsten auf eine präzise, zielgerichtete Reinigung jedes einzelnen Zahns.

Was die Forschung wirklich zeigt

Eine der aktuellsten Studien stammt von Polak et al. (2024), die die Reinigungseffizienz der Oral-B iO mit ihrer innovativen Kombination aus oszillierend-rotierender Technologie und Mikrovibrationen mit einer konventionellen oszillierend-rotierenden Zahnbürste verglichen haben. In dieser randomisierten, kontrollierten Crossover-Studie mit 30 erwachsenen Teilnehmern zeigte die Oral-B iO nach 28 Tagen Anwendung statistisch signifikant niedrigere Plaque-Werte als die konventionelle oszillierend-rotierende Zahnbürste (25,09% vs. 30,60%, p = 0,029)7.

Ein umfassendes integratives Literaturreview von Yeh et al. (2024) untersuchte die Wirksamkeit von elektrischen Zahnbürsten im Vergleich zu Handzahnbürsten, wobei auch verschiedene Arten elektrischer Zahnbürsten verglichen wurden. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass oszillierend-rotierende Zahnbürsten Blutungen und Plaque im Vergleich zu manuellen und Schallzahnbürsten signifikant reduzieren8.

Die umfassendste Evidenz zum Vergleich verschiedener Zahnbürstentypen liefert ein Cochrane-Review, das regelmäßig aktualisiert wird. Die letzte umfassende Aktualisierung kam zu dem Schluss, dass elektrische Zahnbürsten mit oszillierend-rotierender Technologie sowohl kurz- als auch langfristig eine statistisch signifikante Überlegenheit bei der Reduktion von Plaque und Gingivitis gegenüber Handzahnbürsten aufweisen9.

Interessanterweise zeigt die S3-Leitlinie "Häusliches mechanisches Biofilmmanagement in der Prävention und Therapie der Gingivitis" der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DG PARO) und der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) ebenfalls, dass die beste Evidenzlage für oszillierend-rotierende Zahnbürsten vorliegt10.

Trotz der scheinbar eindeutigen Evidenz zugunsten rotierend-oszillierender Zahnbürsten ist eine kritische Betrachtung der Studienlage notwendig. Viele der verfügbaren Studien werden von Herstellern finanziert, was potenziell zu Interessenkonflikten führen kann. Zudem variieren die Studiendesigns erheblich, was die Vergleichbarkeit der Ergebnisse erschwert.

Vom Labor in die Praxis

Die Wahl zwischen einer Schallzahnbürste und einer rotierend-oszillierenden Zahnbürste sollte stets individuell erfolgen und verschiedene Faktoren berücksichtigen. Für Patienten mit Gingivitis oder Parodontitis könnte die rotierend-oszillierende Technologie aufgrund ihrer nachgewiesenen Überlegenheit bei der Reduktion von Plaque und Gingivitis die erste Wahl sein15. Eine Studie zeigte, dass der Gingiva-Index nach zwölf Wochen im Vergleich zur Schallzahnbürste um 32,3 Prozent stärker gesenkt werden konnte16.

Bei Patienten mit Zahnspangen oder kieferorthopädischen Apparaturen ist die Situation komplexer. Eine randomisierte klinische Studie zur Bewertung der Plaque-Entfernung bei Patienten mit festsitzenden kieferorthopädischen Apparaturen zeigte jedoch, dass oszillierend-rotierende Zahnbürsten eine um 51,6% überlegene Plaque-Entfernungseffizienz im Vergleich zu Handzahnbürsten aufwiesen17.

Für die zahnärztliche Praxis ist es wichtig, evidenzbasierte Empfehlungen in die Patientenberatung zu integrieren. Dabei sollte die Beratung stets individuell erfolgen und neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen auch die persönlichen Präferenzen und Bedürfnisse des Patienten berücksichtigen.

Eine praktische Demonstration der korrekten Anwendung ist unerlässlich, da die Putztechnik bei beiden Technologien unterschiedlich ist. Bei rotierend-oszillierenden Zahnbürsten sollte betont werden, dass der Bürstenkopf von Zahn zu Zahn bewegt wird und jeweils kurz verweilt, während bei Schallzahnbürsten die Borsten sanft über die Zahnoberfläche gleiten sollten, ohne Druck auszuüben21.

Die Zukunft der elektrischen Zahnreinigung

Eine der bedeutendsten Innovationen der letzten Jahre ist die Integration von künstlicher Intelligenz (KI) in elektrische Zahnbürsten. Sowohl Hersteller von Schallzahnbürsten als auch von rotierend-oszillierenden Zahnbürsten haben Modelle mit KI-Unterstützung auf den Markt gebracht. Diese Systeme nutzen Sensoren, um das Putzverhalten zu erfassen, und geben in Echtzeit Feedback über die Abdeckung aller Zahnflächen, den ausgeübten Druck und die Putzdauer24.

Die Oral-B iO-Serie repräsentiert eine Weiterentwicklung der rotierend-oszillierenden Technologie durch die Kombination mit Mikrovibrationen, die durch einen linearen Magnetantrieb erzeugt werden. Die ersten unabhängigen Studien zu dieser Technologie deuten auf eine verbesserte Plaque-Entfernung im Vergleich zu konventionellen rotierend-oszillierenden Zahnbürsten hin7.

Eine interessante Entwicklung sind Hybridtechnologien, die versuchen, die Vorteile beider Systeme zu kombinieren. So gibt es Ansätze, bei denen ein rotierender Bürstenkopf mit Schallvibrationen kombiniert wird, um sowohl die präzise Reinigung jedes einzelnen Zahns als auch die Tiefenwirkung durch Mikroströmungen zu nutzen26.

Die Forschung im Bereich der elektrischen Zahnbürsten konzentriert sich nicht nur auf die Weiterentwicklung der Technologien, sondern auch auf die Verbesserung der Methoden zur Bewertung ihrer Wirksamkeit. Eine vielversprechende Entwicklung ist der Einsatz von digitaler Bildgebung und computergestützter Analyse zur objektiven Bewertung der Plaque-Entfernung28.

Die richtige Wahl für optimale Mundgesundheit

Die Frage, ob Schallzahnbürsten oder rotierend-oszillierende Zahnbürsten besser reinigen, lässt sich nicht pauschal beantworten. Die wissenschaftliche Evidenz deutet darauf hin, dass rotierend-oszillierende Zahnbürsten in kontrollierten Studien tendenziell bessere Ergebnisse bei der Plaque- und Gingivitisreduktion zeigen. Die S3-Leitlinie der DGZMK und DG PARO bestätigt, dass für diese Technologie die beste Evidenzlage vorliegt. Dennoch ist der Unterschied oft gering und muss im Kontext individueller Patientenbedürfnisse betrachtet werden.

Für die zahnärztliche Praxis bedeutet dies, dass die Empfehlung einer elektrischen Zahnbürste stets individuell erfolgen sollte. Faktoren wie die spezifische Mundgesundheitssituation des Patienten, seine motorischen Fähigkeiten, persönliche Präferenzen und Compliance spielen eine wichtige Rolle bei der Entscheidung.

Unabhängig von der gewählten Technologie ist die korrekte Anwendung entscheidend für den Reinigungserfolg. Eine ausführliche Demonstration und regelmäßige Überprüfung der Putztechnik sind daher unverzichtbare Bestandteile der zahnärztlichen Betreuung.

Letztendlich ist die beste Zahnbürste diejenige, die regelmäßig, gründlich und korrekt angewendet wird. Die zahnärztliche Beratung sollte daher nicht nur auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren, sondern auch die individuellen Voraussetzungen und Präferenzen des Patienten berücksichtigen, um die optimale Lösung für seine Mundgesundheit zu finden.

Quellen
  1. Matebrush. (2024). Schallzahnbürsten: Wie funktionieren sie und warum sind sie effektiv? https://www.matebrush.de/blogs/news/schallzahnbursten-wie-funktionieren-sie-und-warum-sind-sie-effektiv
  2. Reads Alibaba. (2023). Rotierend-oszillierende vs. Schallzahnbürsten: Alles was Sie wissen müssen. https://reads.alibaba.com/de/rotating-oscillating-vs-sonic-toothbrushes-everything-you-need-to-know/
  3. Polak, A. L., Wiesmüller, V., Sigwart, L., Nemec, N., Niederegger, L., & Kapferer-Seebacher, I. (2024). Cleansing efficacy of the electric toothbrush Oral-B® iO™ compared to conventional oscillating-rotating technology: a randomized-controlled study. Clinical Oral Investigations. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11339098/
  4. Yeh, C. H., Lin, C. H., Ma, T. L., Peng, T. Y., Vo, T. T. T., Lin, W. N., Chen, Y. H., & Lee, I. T. (2024). Comparison Between Powered and Manual Toothbrushes Effectiveness for Maintaining an Optimal Oral Health Status. Clinical, Cosmetic and Investigational Dentistry, 16, 381-396. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11456731/
  5. Yaacob, M., Worthington, H. V., Deacon, S. A., Deery, C., Walmsley, A. D., Robinson, P. G., & Glenny, A. M. (2014). Powered versus manual toothbrushing for oral health. Cochrane Database of Systematic Reviews, (6). https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD002281.pub3/full
  6. Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DG PARO) & Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK). (2020). S3-Leitlinie: Häusliches mechanisches Biofilmmanagement in der Prävention und Therapie der Gingivitis. AWMF-Registernummer: 083-022. https://www.dgzmk.de/documents/10165/1373255/LL_083-022_S3_Mechanisches_Biofilmmanagement_lang_2020.pdf/b5a24646-b136-4bc2-818d-27181abbe83c
  7. Dental Team. (o.D.). Oszillierend-rotierende Zahnbürsten putzen besser. https://dental-team.de/work/zahnaerztliche-prophylaxe/oszillierend-rotierende-zahnbuersten-putzen-besser/
  8. ZWP Online. (2014). Studie belegt Überlegenheit oszillierend-rotierender Technologie. https://www.zwp-online.info/zwpnews/dental-news/branchenmeldungen/studie-belegt-ueberlegenheit-oszillierend-rotierender-technologie
  9. Erbe, C., Klees, V., Ferrari-Peron, P., Ccahuana-Vasquez, R. A., Timm, H., Grender, J., Cunningham, P., Adam, R., & Wehrbein, H. (2018). A comparative assessment of plaque removal and toothbrushing compliance between a manual and an interactive power toothbrush among adolescents: a single-center, single-blind randomized controlled trial. BMC Oral Health, 18(1), 130.
  10. Oral-B. (o.D.). Leitfaden zur korrekten Verwendung einer elektrischen Zahnbürste. https://www.oralb.de/de-de/mundhygiene/warum-oral-b/warum-elektrische-zahnbuersten/elektrische-zahnbuerste-verwendung
  11. Oral-B. (2024). Künstliche Intelligenz in der Zahnpflege. https://www.oralb.de/de-de/produkte/elektrische-zahnbuersten/kuenstliche-intelligenz-zahnpflege
  12. Rotadent. (o.D.). Rotadent Hybrid-Technologie. https://www.rotadent.com/technology
  13. Schwendicke, F., Samek, W., & Krois, J. (2020). Artificial Intelligence in Dentistry: Chances and Challenges. Journal of Dental Research, 99(7), 769-774.